Erforschung

Daß viele Sprachen Europas sehr große Ähnlichkeiten miteinander aufweisen, war den Menschen schon vor vielen Jahrhunderten aufgefallen. Es war offensichtlich, daß z.B. Französisch, Spanisch, Italienisch und die anderen romanischen Sprachen eindeutig auf das Lateinische zurückgehen. Dies ergab sich nicht nur (indirekt) aus der Ähnlichkeit Tausender von Wörtern der romanischen Sprachen mit der lateinischen Ursprungssprache, sondern auch (direkt) aus der reichhaltig vorhandenen, lückenlosen Literatur, die ohne Unterbrechung bis in die römisch/lateinische Zeit/Sprache zurückreichte.

Als man jedoch im Rahmen der Kolonisierung Indiens durch die Engländer feststellte, daß auch viele Dialekte Indiens und vor allem die “heilige Sprache” Sanskrit ganz frappierenden Ähnlichkeit mit vielen europäischen Sprachen aufwies, begann man mit gezielten Forschungen.

Die Erkenntnis und die Nachweise, daß diese äußerst unterschiedlichen Sprachen Mitglieder einer einzigen Familie sind, wurden im Wesentlichen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesammelt. Der umfangreiche Bestand an Literatur in Sanskrit und Altgriechisch (den damals ältesten Schriftzeugnisse einer indogermanischen Sprache) zeigt typische Züge der grundlegenden indogermanischen Formen auf und beweist eine gemeinsame Ursprache.

Denn wenn mehrere Sprachen Ähnlichkeiten aufweisen, die ganz signifikant (um den Faktor 100 oder 1.000) über das Maß hinausgehen, mit dem nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, mußten sie miteinander verwandt sein, also von einer vielleicht nicht mehr existierenden gemeinsamen Ursprache abstammen.Forscher

Bereits seit dem 1. Drittel des 19. Jahrhunderts war die enge Verwandtschaft zwischen Sanskrit, Altgriechisch und Latein erwiesen. Frühe Sanskrit-Grammatiker hatten die Bestandteile ihrer alten Sprache systematisch klassifiziert. Zu diesen Arbeiten kamen umfassende grammatikalische und phonetische Vergleiche europäischer Sprachen. Aus zahlreichen Untersuchungen konnten genauere Schlußfolgerungen hinsichtlich Lautung und Grammatik der angenommenen Ursprache (Protoindogermanisch) gezogen werden, so daß man zur Rekonstruktion einer hypothetischen Sprache und zu Schätzungen ihrer Aufspaltung in verschiedene Sprachen gelangte.

Heute ist bewiesen, daß Griechisch, Hethitisch und Sanskrit bereits um 2000 v. Chr. als eigenständige Sprachen existierten. Die Merkmale, durch die sie sich unterscheiden, deuten jedoch darauf hin, daß ungefähr 1000 Jahre vorher, also um 3000 v. Chr., noch eine einheitliche Ursprache existiert haben muß.

Zu den heutigen Erkenntnissen hinsichtlich der Entwicklung und des Charakters des Indogermanischen gelangte man schließlich, als die Entzifferung der hethitischen Texte gelang (die erst 1915 als indogermanisch identifiziert wurden) und durch die Entdeckung des Tocharischen, einer Sprache, die im Mittelalter im chinesischen Teil Turkestans gesprochen und 1908 als indogermanisch identifiziert wurde.