Die Sprachen Chinas
Das gesprochene Chinesisch umfaßt 7 Hauptsprachen sowie eine Vielzahl von Dialekten. Diese können ihrerseits fast als Sprachen bezeichnet werden, da sie sich (gesprochen) fast genauso voneinander unterscheiden wie die romanischen Sprachen untereinander.
Die 7 Hauptsprachen sind:
Dialekt | Sprecher in % | Regionen, in denen der Dialekt gesprochen wird |
---|---|---|
Mandarin (mit zahlreichen Dialekten) | 71 | Nördlich des Qingteskiang und Südwest-China |
Wu | 9 | Shanghai |
Xiang | 5 | Hunan |
Yue | 5 | Guangdong |
Min | 4 | Fujian, Taiwan, Hainan |
Hakha, Keija | 4 | Südost-China |
Gan | 2 | Jiangxi |
Das Chinesische hat mehr als 1 Milliarde Sprecher und liegt damit an erster Stelle in der Welt. An zweiter Stelle folgt Englisch, an dritter Spanisch. Das Chinesische gehört wie das Tibetische, Birmanische und andere Sprachen Süd- und Südostasiens zur sinotibetischen Sprachfamilie.
Diese Sprachen weisen Eigenschaften auf, die es von den westlichen Sprachen ganz erheblich unterscheidet: So sind sie geprägt durch Monosyllabismus (Einsilbigkeit) der Wortwurzeln und vor allem durch das Fehlen jeglicher Flexion.
Wohl aufgrund des Monosyllabismus und des dadurch nur sehr beschränkten Wortschatzes ist das Chinesische eine ausgeprägte Tonsprache. Um Bedeutungs- unterschiede zwischen Wörtern oder auch grammatikalische Zusammenhänge anzuzeigen, die nach ihrer Lautstruktur gleich sind, werden die Wörter mit verschiedenen Tönen versehen: hoch, steigend, fallend-steigend, fallend. Im Südosten Chinas werden im Extremfall bis zu 8 Tonhöhen (!) verwendet.
Mandarin – die Verkehrssprache
Die Hauptsprachen und auch die Dialekte weisen in Aussprache und Wortschatz derart große Unterschiede auf, daß sich die Sprecher verschiedener Dialekte mündlich nicht miteinander verständigen können.
Die Unterschiede sind vergleichbar mit den Unterschieden zwischen den einzelnen romanischen Sprachen.
Trotzdem ist eine schriftliche Verständigung zwischen Sprechern verschiedener Dialekte ohne weiteres möglich, da die chinesische Schrift dialektübergreifend gleich ist.
Als Standardsprache ist ein Dialekt des nördlichen Mandarin, wie es in Beijing gesprochen wird, eingeführt worden. Dieser Dialekt ist relativ weit verbreitet und wird beispielsweise auch in Peking gesprochen, was vielleicht einer der Gründe für die Auswahl dieses Dialekts war.
Mandarin bildet auch die Grundlage der modernen Schrift (Baihua), die die klassische chinesische Schrift in den Schulen nach 1917 abgelöst hat, und der offiziellen gesprochenen Sprache (Putonghua), die seit 1956 landesweit in den Schulen unterrichtet wird. Deshalb spricht man im Westen üblicherweise – wenn auch zu Unrecht – von einer einzigen chinesischen Sprache.
Entwicklungsstufen
Das Lautsystem des Altchinesischen (800 – 300 v. Chr.) konnte annähernd rekonstruiert werden. Obwohl auch im Altchinesischen die Silben die bedeutungstragenden Einheiten waren, enthielt es doch noch Flexionsformen. China1
Die nächste Entwicklungsstufe des Chinesischen war das mittlere Chinesisch (ungefähr bis zum 11 . Jahrhundert n. Chr.). In dieser Zeit hat sich das reiche Lautsystem des Altchinesischen zu der heute anzutreffenden extremen Reduzierung der modernen Dialekte hin entwickelt.
So verfügte das Altchinesische beispielsweise noch über Konsonantenfolgen wie p, ph, b, bh, (das h steht für Aspiration oder Behauchung). Im Mittelchinesischen reduzierte sich dies zu p, ph, bh, und im Mandarin sind nur noch p und ph übrig.
Im modernen Mandarin (ab dem 11. Jahrhundert n. Chr.) besteht die Silbe mindestens aus einem sogenannten abschließenden Element, nämlich einem Vokal (a, e) oder Halbvokal (i, u) oder einer Kombination (einem Diphthong oder Triphthong), mit einem Ton (hoch, steigend, fallend-steigend oder fallend) und manchmal einem abschließenden Konsonanten, der jedoch nur ein n, ng oder r sein kann.
Das Altchinesische verfügte zusätzlich über ein abschließendes p, t, k, b, d, g und m. Dem abschließenden Element kann ein Anfangskonsonant, niemals aber eine Konsonantengruppe vorangehen. Im Altchinesischen gab es vermutlich Konsonantengruppen, wie beispielsweise in klam und glam. Da sich die lautlichen Unterscheidungsmerkmale verringerten, weil beispielsweise das abschließende n das abschließende m absorbierte, so daß aus Silben wie lam und lan einfach lan wurde, reduzierte sich der Bestand an Tonsilben im Mandarin auf rund 1 300.
Das moderne Chinesisch
Das zwangsläufige Ergebnis war, dass die meisten Silben somit mehr als eine Bedeutung erhielten. So wurden noch im Mittelchinesischen die Worte für „Lyrik”, „Ehre”, „feucht”, „verlieren”, „Leichnam” und „Laus” alle unterschiedlich ausgesprochen. Im Mandarin werden sie alle als shi und mit gleichem Ton ausgesprochen.
Es entstanden derart viele Homonyme (gleichlautende Wörter), daß die Verständigung nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, wenn sich nicht gleichzeitig Wörter mit zwei Silben entwickelt hätten.
So wurde aus „Lyrik” shi-ge (dichterisches Lied), aus „Lehrer” wurde shi-zhang (Lehrer-Ältester).
Aufgrund der Vielzahl von Begriffen und Zeichen einerseits und der relativen Lautarmut von rund 1300 Tonsilben andererseits (es gibt nur 420 Silben in jeweils max. 5 Tönen) entstanden derart viele Homonyme (gleichlautende Wörter), daß die Verständigung teilweise nicht mehr gewährleistet war.
So ist in Langenscheidts Schreibübungsbuch über Chinesisch ein kleiner Text abgedruckt, der nur lesbar, aber nicht vorlesbar ist, weil sämtliche Zeichen (insgesamt 86, davon 31 verschiedene) als “shi” in vier Tönen ausgesprochen werden!
Im Verlauf der Zeit entwickelten sich somit – geradezu zwangsläufig – Wörter mit zwei (vereinzelt auch drei) Silben.
So wurde aus shi im Sinne von „Lyrik” shi-ge (dichterisches Lied), aus shi im Sinne von „Lehrer” wurde shi-zhang (Lehrer-Ältester).
Hierbei ist die Sprachentwicklung nicht einheitlich verlaufen. Die zwei- und mehrsilbigen Wörter lassen sich im wesentlichen in 4 Gruppen einteilen:
1. Gruppe
Wörter deren Bedeutung erst durch die Verbindung der Bedeutungen der einzelnen Silben entsteht. Das sind vor allem Wörter mit denen neue Begriffe dargestellt werden, die es zur Zeit der Entwicklung der Schrift noch nicht gab und für die es deshalb verständlicherweise keine einsilbigen Alternativen gibt, z.B.Chinese
Telefon = dian hua (dian = elektrisch, hua = Sprache),
Fernsehen = dian jing (dian = elektrisch, shi = sehen) ,
Handy = ba shou ji (ba = greifen, shou = hand, ji = Gerät, Maschine).
2. Gruppe
Wörter die aus mehreren Silben gleicher oder ähnlicher Bedeutung zusammengesetzt sind.
Freund = peng you (peng = Freund, you = Freund)
helfen = bang zhu (bang = helfen, zhu = helfen)
3. Gruppe
Wörter die durch Kombination einer bedeutungstragenden ersten und einer bedeutungslosen zweiten Silbe gebildet werden. Recht häufig werden vor allem die Silben zi, er und tou angehängt :
Stuhl = yi zi (yi = Stuhl)
Löwe = shi zi (shi = Löwe)
Stein = shi tou (shi = Stein)
4. Gruppe
Und schließlich gibt es noch – wie im Deutschen – eine vierte Gruppe, bei denen eine weitere sinntragende Silbe beigefügt wird, d.h. 2 sinntragende Silben verbunden werden (also nach dem Schema „Postauto“, „Vorstand“, usw.
Bei der ersten Gruppe (neue Begriffe, vor allem aus der Technik) kann es somit keine einsilbigen Wörter geben. Bei den 3 anderen Gruppe gibt es gibt es zwar einsilbige Wörter, die bereits alles ausdrücken können. Aufgrund der genannten Schwächen des Chinesischen (nur 420 Silben in max. 5 Tönen gegenüber mehr als 10.000 Zeichen und der daraus resultierenden großen Anzahl von Homophonen) haben sich für die genannten Beispiele im modernen Chinesisch jedoch die zweisilbigen Varianten durchgesetzt.
Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:
Es gibt beispielsweise 3 verschiedene Zeichen, die alle gleich ausgesprochen werden (peng im zweiten Ton), jedoch ganz verschiedene Bedeutungen haben (Freund, Schutzdach, Plane). Im modernen Chinesisch werden die 3 Zeichen nun wie folgt gesprochen:
ursprüngl. Aussprache | Bedeutg. | heutige Aussprache | hinzu gekommen | Die sprachl. Unterscheidung zum ursprgl. peng wurde somit gebildet durch | obige Gruppe |
---|---|---|---|---|---|
peng | Freund | peng you | you Freund | Hinzufügen eines Begriffs mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung | 2 |
peng | Schutzdach | peng zi | zi - - - | Hinzufügen eines Begriffs ohne Bedeutung, also nur zur sprachl. Unterscheidung | 3 |
peng | Plane | peng bu | buTuch | Hinzufügen eines weiteren sinntragenden Begriffs | 4 |
Grammatik
Sprachen wie das Lateinische oder Russische, die ein hohes Maß an Flexion aufweisen, fügen dem Wortstamm Flexionsmorpheme hinzu oder modifizieren den Vokal des Wortstammes (Ablaut), um syntaktische Beziehungen im Satz anzuzeigen.
Das moderne Chinesisch ändert zu diesem Zweck jedoch niemals Laute und fügt nur selten neue hinzu. Da es keine Flexionsformen für Substantive gibt, die anzeigen könnten, ob es sich beispielsweise um ein Subjekt oder ein Objekt handelt, und keine Hinweise darauf gegeben werden, ob Verben, Substantive und Adjektive in Numerus und Kasus übereinstimmen, spielt die Wortstellung als syntaktisches Mittel eine besondere Rolle.
Ein weiteres Merkmal des Chinesischen ist, daß die Tempora des Verbs im Allgemeinen nicht ausgedrückt werden. Statt der Relativsätze stehen relativ komplizierte modifizierende Wendungen dem zu modifizierenden Begriff voran:
Jianle schu jiu mai de neige ren, „Gesehen haben Buch sofort kaufen ist der Mann”, wird übersetzt mit „Der Mann, der jedes Buch, das er sieht, sofort kauft”.
zur Vertiefung:
Weitere Einzelheiten zur chinesischen Sprache sowie eine sehr schöne und übersichtliche Darstellung der chinesischen Schrift finden Sie hier.
Die derzeit umfangreichste deutschsprachige Homepage zu sämtlichen Aspekten der chinesischen Kultur finden Sie hier, insbesondere eine sehr ausführliche Darstellung zum Thema Erlernen der chinesischen Sprache und Schrift - Eine sehr empfehlenswerte Seite. Dem Autor Jörg Sziegat verdanke ich manchen wertvollen Hinweis hinsichtlich der chines. Sprache.