Wort-, Silben- und Buchstabenschriften

1. Wortschrift (Logographie)

Kennzeichen der Wortschrift sind Zeichen (Logogramme genannte) , die ganze Wörter darstellen. Häufig stellen solche Zeichen eine Reihe verwandter Wörter dar (z.B: das Zeichen für Auge für “Auge” und für “sehen”).

Auch in den heutigen, modernen Schriftsystemen gibt es eine Vielzahl von Logogrammen (auch Piktogramme genannt). Ihre Zahl geht in die Tausende.

Derartige Systeme müssen zwangsläufig mehrdeutig sein. Mit speziellen Zeichen (sog. Determinative und phonetische Ergänzungen), die semantische und phonetische Eigenschaften anzeigen, lässt sich diese Mehrdeutigkeit auflösen, das Logogramm kann somit richtig gedeutet werden.

  • Determinative haben keinen Lautwert, sondern dienen ausschließlich der semantischen Unterscheidung (z.B. ob in der sumerischen Keilschrift das Zeichen für “Pfeil” , das “ti” gesprochen wird, nun Pfeil oder Leben (beides ti gesprochen) bedeutet).

    Ein derartiges Zusatzzeichen zum Auge könnte bspw. ausdrücken, ob es sich um das Substantiv "Auge" oder um das Verb "sehen" handelt. Sehr häufig waren derartige Determinativa in der ägyptischen Hieroglyphenschrift.

  • Die phonetische Ergänzung (phonetisches Komplement) wird in ähnlicher Weise verwendet. Sie hat aber eine spezifischere Funktion, da sie Hinweise auf die Aussprache des vom Logogramm dargestellten Wortes gibt. Sie werden ebenfalls nicht mitgelesen, sondern sollen ausschließlich das Lesen des betreffenden Logogramms erleichtern.

Hierzu ein schönes Beispiel: In der heutigen deutschen Alphabetschrift wird beispielsweise das Logogramm „2” als „zwei” gelesen. Um aber die Ordnungszahl darzustellen, wird die phonetische Ergänzung „ . ” (Punkt) an das Logogramm angehängt, und das Logogramm sowie die phonetische Ergänzung werden als „zweite”, „zweiter” "zweitens", usw. gelesen.

Die Darstellungsform mit Hilfe von Logogrammen genügt somit zwar zur Identifizierung von vielen (einfachen) Substantiven und von einfachen Verben, nicht jedoch der Adjektive und Adverbien und keinesfalls der Pronomen und Eigennamen.

Allein durch die Verwendung von Logogrammen können auch nicht die Flexionsendungen von Kasus und Verben abgebildet werden. Dies ist jedoch für ein vollständig entwickeltes Schriftsystem unbedingt erforderlich.

2. Silbenschrift

Mit dem Rebusverfahren versuchte man, die Beschränkungen des logographischen Schriftsystems zu überwinden.

Dadurch, dass Zeichen zur Darstellung von Lauten (in diesem Fall Silben) verwendet werden, ließen sich Wörter ausdrücken, für die es kein Logogramm gab. Darüber hinaus konnten vor allem Flexionsendungen von Kasus und Verben geschrieben werden, indem man einfach das Zeichen für den entsprechenden Laut an das Logogramm hängte. Im Gegensatz zu den phonetischen Ergänzungen werden diese Zeichen allerdings als Elemente der geschriebenen Sprache gelesen und gedeutet.

3. Alphabetschrift

Der letzte Schritt zu einer vollständigen Alphabetschrift (Buchstabenschrift) ist die lautliche Trennung der Konsonanten von den Vokalen und ihre getrennte Darstellung in der Schrift. Dafür werden zwar einige Zeichen mehr benötigt, jedoch verschwindet hierdurch die Mehrdeutigkeit, da ein Leser die Vokale nicht mehr selbst einsetzen muss.

Die Alphabetschrift benötigt die größte Anzahl von Zeichen für eine gegebene Äußerung. Die Anzahl der für das Schriftsystem benötigten Zeichen ist jedoch klein genug, so dass die Zeichenform immer noch sehr einfach sein kann. Da jedes Zeichen für ein Phonem steht, wird jedes vom Schreiber vorgesehene Wort ausführlich ausgeschrieben. Der Leser muss keinen einzigen Laut ergänzen.

Übrigens gibt es kein Schriftsystem in reiner Form. In jedem Schriftsystem finden sich immer Elemente eines anderen Systems. Ein Beispiel dafür ist die Vielzahl von Logogrammen, die in den heutigen Alphabetschriften verwendet werden (z.B. die Satzzeichen wie Komma, Fragezeichen, usw.)