Verlauf der Sprachentwicklung

Ursachen der Evolution


Seit über 100 Jahren diskutiert man unter dem Gesichtspunkt der Darwinschen Lehre Fragen über die Ursachen dieser Evolution. Dabei lautet die Grundannahme, daß sich das Sprachvermögen unter evolutionärem Druck entwickelt hat. Mit anderen Worten: Es muß für diejenigen Individuen, die sich gut ausdrücken konnten und die Äußerungen der anderen verstanden, einen entscheidenden Vorteil gegeben haben.

Erstaunlicherweise ist man sich nach wie vor nicht einig, worin dieser Vorteil bestanden haben mag. Am plausibelsten erscheint die Annahme, daß Menschen in einem Stamm oder in einer Gruppe, die sprechen können, wegen der besseren Kommunikation erfolgreicher sind (bei der Jagd, beim Kampf, bei der Weitergabe von Wissen) und daß dies wiederum der Gruppe Vorteile verschafft.

Diese Theorie entspricht jedoch nach Ansicht der meisten Wissenschaftler nicht der heutigen darwinistischen Denkweise, nach der ein evolutionärer Vorteil ein Individuum und nicht eine Gruppe betreffen muß, weil nur ein Individuum und nicht eine ganze Gruppe ein Merkmal an seine Nachkommen weitergeben kann.

Andererseits: Ist diese Annahme wirklich zwingend ?

Denn wenn eine Gruppe (also z.B. ein Stamm, eine Großfamilie, o.ä., die über längere Zeit zusammenbleibt) eine bessere interne Kommunikation betreibt und dadurch erfolgreicher bei der Jagd, beim Anlegen von Vorräten, bei der Suche nach Heilkräutern, beim Nähen von warmer Kleidung, usw. ist, dann erscheint es naheliegend, daß diese Gruppe auch im Verhältnis zu anderen Gruppen erfolgreicher sein wird, weil sie geringere Ausfälle durch Hunger, Kälte, Krankheit, usw. hat und deshalb mehr Nachkommen bis ins fortpflanzungsfähige Alter durchbringen wird.

Im Verlauf der unbarmherzigen Evolution während der Eiszeiten wird eine solche Gruppe eher überleben und jedenfalls geringere Ausfälle haben als andere, nicht oder schlechter kommunizierende Gruppen. Diese Gruppe bzw. ihre Mitglieder und Nachkommen wird sich über die Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg besser gegen die Natur, das Klima, die Raubtiere, usw. behaupten und nach und nach andere Gruppen verdrängen – so wie der moderne Mensch den Neandertaler in relativ kurzer Zeit verdrängt hatte, und dies, obwohl er körperlich schwächer war als der Neandertaler, zudem ein kleineres Gehirn besaß und außerdem der eisigen Witterung der Eiszeiten schlechter angepaßt war.

Jedenfalls überzeugt diese Theorie trotz mancherlei Schwächen (wie auch bei vielen anderen Aspekten kooperativen Verhaltens) mehr als andere neuerdings diskutierte Erklärungsversuche:

So soll sich die Sprache entwickelt haben, weil Menschen, die der Sprache mächtig sind, sich durch Lügen Vorteile verschaffen können, oder weil sie einen gesellschaftlichen Status erwerben können, indem sie andere mit Klatsch versorgen, oder weil sie Rituale entwickeln können, die sich zu ihren Gunsten auswirken.

Derartige Theorien sind zwar nicht unbedingt überzeugend, andererseits aber auch nicht leicht zu entkräften. Und solange es keine sicheren Beweise gibt, werden die Spekulationen wohl weitergehen.

Verlauf der Evolution

Warum sich Sprache entwickelt hat, scheint sich also nicht klären zu lassen. Auch das Wie erscheint relativ spekulativ.

In jedem Fall dürfte die Entwicklung der Sprache fließend gewesen sein und sich über einen längeren Zeitraum (Mehrere 10.000 Jahre ? Oder viele 100.000 Jahre ? ) erstreckt haben.

Wahrscheinlich haben sich die beiden grundlegenden Eigenschaften der Sprache nacheinander entwickelt. Der erste Schritt bestand darin, eine begrenzte Anzahl von Lauten zur Bildung einer unbegrenzten Anzahl von Wörtern einzusetzen. Dieses Verfahren hat sich möglicherweise über einen sehr langen Zeitraum hinweg ganz allmählich entwickelt.

Eine „Primitivsprache“ dieser Art funktioniert unter normalen Umständen recht gut. Normalerweise genügen Begriffe wie: „Hirsch“, „Gut“, „Braten“, „Schlafen“, „Werfen“, usw. Auch heute noch gibt es schweigsame Leute, die in solchen Stichworten reden, und meistens ist man in der Lage, zu verstehen was sie meinen..

Probleme ergeben sich erst dann, wenn man übe etwas sprechen will, das man gerade nicht sehen kann. Für komplexere Zusammenhänge ist das obige Verfahren natürlich nicht ausreichend.

Wenn man 10 Minuten vorher auf einer Waldlichtung einen vorbeiziehenden Hirsch oder ein Mammut gesehen hat, kann man nicht einfach “Mammut” sagen. Vielmehr muß man in eine Richtung zeigen oder aber mehrere Begriffe miteinander kombinieren und gleichzeitig sagen: „Mammut“, „dort“, „gehen“, “schnell“, usw. So entwickelten sich zunächst Aussagen mit 2 oder mehr Begriffen und allmählich auch komplexe Sätze mit Pronomen, Modus, Satzgefügen und anderen Feinheiten.

Dies alles kann nicht gleichzeitig passiert sein. Sicher hat sich die Sprache über viele Tausend von Jahren, wahrscheinlich über viele Hunderttausende von Jahren hinweg entwickelt, wobei immer weitere Feinheiten hinzukamen. Bis sie schließlich eindeutige Gespräche über Gott und die Welt, über Gut und Böse, über Vergangenheit und Zukunft, und noch Tausend andere Themen erlaubte.