Professionalität
Übersetzer versuchen, einen Text anzufertigen, der dem Original so genau entspricht, wie es die Umstände erfordern, und der sich gleichzeitig so liest, als sei der ursprünglich in der Zielsprache verfaßt worden. Sie wollen also möglichst “unsichtbar” bleiben, d.h. Inhalte übertragen, ohne die Aufmerksamkeit auf das erforderliche und fachliche Können zu lenken.
Diese Bescheidenheit ist oft unangebracht, zumal manche Übersetzer ihrerseits hochrangige Fachleute auf dem betreffenden Gebiet sind.
So arbeiten bspw. Wissenschaftsjournalisten (i.d.R. examinierte, teilweise sogar promovierte Naturwissenschaftler) häufig auch als Übersetzer von Fachaufsätzen.
Auch im literarischen Bereich kommt es nicht selten vor, daß Schriftsteller die Übersetzung der Werke anderer Autoren übernehmen.
Im Extremfall kann dies im geistes- wie im naturwissenschaftlichen Bereich so weit gehen, daß die Fachkunde des Übersetzers genauso hoch ist wie die des “übersetzten” Autors, in Teilgebieten sogar noch höher.
So hat beispielsweise R. Keller, der das Werk von Bodmer, Die Sprachen der Welt aus dem Englischen in das Deutsche übertragen hat, mehrere Kapitel selbst geschrieben.
Lediglich an versteckter Stelle findet sich ein kleiner Hinweis, daß die deutsche Ausgabe des Buches an Stelle der Abhandlung über die deutsche Grammatik (einem Thema, das dem deutschen Leser ohnehin geläufig ist) eine eigene Arbeit des Übersetzers “Die englische Aussprache und Orthographie” und einen “Abriß der englischen Grammatik” bringt, und daß dieser auch das lateinische Vokabular zusammengestellt hat.
Von allem anderen ganz abgesehen: Welche Bescheidenheit!
Auch der Übersetzer des Werkes von Palmer, Die lateinische Sprache hat bei der Übertragung des Werkes aus dem Englischen an einigen Stellen fachkundig Einfluß auf die Darstellung genommen, hier veranlaßt durch die seit dem Erstdruck erfolgten Fortschritte in der Erforschung der Latinistik und der Indogermanistik.
Ein wenig überspitzt läßt sich sagen, daß der Übersetzer in manchen Fällen - insbesondere bei der Übertragung von wissenschaftlichen Werken - beinahe über die gleiche Fachkunde verfügen muß wie der Autor.