Wortdreher
Bnuter Bchutsabensalat
Archäologen, Linguisten und anderen Wissenschaftlern stehen immer wieder vor dem Problem, falsch oder unvollständig geschriebene Wörter oder Sätze zu rekonstruieren. Denn oft sind von alten Schriften nur Fragmente enthalten, bei denen zudem einzelne Worte oder auch ganze Bereiche fehlen bzw. nicht zu entziffern sind. Die Forscher haben es hierin teilweise zu einer wahren Meisterschaft gebracht.
Eine Variante dieses Problems ist die Frage: Wie groß ist der Anteil des Textes, der lesbar vorhanden sein muß, damit er verständlich ist?
Dies sei an einem Beispiel demonstriert:
Wie srtak draf man Wröter vrdereehn, dmait man eienn Txet ncoh vtsheert?
Es ist offenkundig: Dieser Satz bereitet dem Leser keine Schwierigkeiten.
Aber was ist mit dem Satz:
iWe rstka fdra anm töWertr devrreenh, mdati anm neine xTet cnno tsvherer?
Dieser Satz ist sicherlich schon wesentlich schwieriger - wenn überhaupt - zu verstehen, zumal wenn man nicht den ersten (gleichlautenden) Beispielsatz gelesen hat.
Die Forschung ist zu folgendem Ergebnis gelangt:
Leztilch ist es ziemilch eagl, in wlehcer Rehenifloge die Bcuhstbaen in Woeretrn vokrmomen.
Huaptschae, der esrte und ltzete Bcuhstbae snid an der rhcitgien Setlle.
Der amerikanische Psychologen Keith Rayner hat das Ergebnis in der Zeitschrift Psychological Science (Bd. 17, Nr. 3; S. 192).veröffentlicht. Darin zeigt Rayner, daß Wörter mit verdrehten Buchstaben zwar langsamer gelesen, tatsächlich aber meist gut verstanden werden. Voraussetzung ist, daß der erste und letzte Buchstabe an der richtigen Stelle bleiben.
Allerdings hängt das Verständnis auch stark vom Vertauschungsgrad ab. Während wir die »Bcuhstbaenrehenifloge« noch leicht entziffern, stellt uns die »Bbnsghhceeunftloiraee« vor nahezu unlösbare Probleme. Werden die ersten und letzten Buchstaben mit vertauscht, sind Wörter meist gar nicht mehr zu lesen.
Die Stellung einzelner Buchstaben in der Mitte von Wörtern hat dagegen kaum einen Einfluß auf deren Lesbarkeit, wie der Pionier der Verdrehungsforschung, der Linguist Graham Rawlinson schon im Jahr 1976 nachgewiesen hat.
Ferner hängt die Verständlichkeit von Verdrehungen auch von der Länge des betreffenden Wortes ab. So hatte Rayner seinen englischen Testlesern naturgemäß nur englische Texte vorgelegt, die in der Regel kurze Wörter enthalten. In anderen Sprachen mit längeren Wörtern sind Verdrehungen viel schwieriger zu entziffern. Das gilt besonders für das Finnische und Hebräische, aber auch für das Deutsche, wie das obige Beispiel zeigt.
Letztlich prägt aber auch unsere Erwartungshaltung in einem gewissen Maße das Leseverständnis. Dieses Phänomen ist nicht erst der modernen Linguistik bekannt. Schon Georg Christoph Lichtenberg spottete in seinen Sudelbüchern über einen Bildungsbürger:
Er las immer ›Agamemnon‹ statt ›angenommen‹, so sehr hatte er den Homer gelesen.
Quelle: DIE ZEIT 09.02.2006 Nr.7