Grundbegriffe der Grammatik
Für die meisten Menschen ist die Struktur der Sprache etwas völlig Selbstverständliches. Wir sind so daran gewöhnt, unsere Muttersprache mit unbefangener Mühelosigkeit zu sprechen und zu verstehen, daß uns die vielschichtige sprachliche Architektur, die nahezu jedem Satz zu Grunde liegt, gar nicht auffällt.
Wir denken nicht mehr an die Jahre, die wir darauf verwendet haben, diese Fähigkeit zu erlernen. Und wenn wir dann als Erwachsene einer fremden Sprache gegenüberstehen, sind wir häufig über die Komplexität ihrer Struktur erstaunt.
Die Grammatik spielt eine zentrale Rolle innerhalb der sprachlichen Struktur. Zumindest Grundkenntnisse sind auch in der Muttersprache erforderlich, und sei es nur, um die Ähnlichkeiten und und Unterschiede mit den Strukturen fremder Sprache zu erkennen und sich hierdurch das Erlernen dieser Sprachen zu erleichtern.
Während wir beim Erlernen von Fremdsprachen viel Zeit und Mühe aufwenden müssen, uns die fremden Regeln anzueignen, wenden wir die Grammatik beim Sprechen unserer Muttersprache mehr oder weniger gefühlsmäßig an. Auch hierbei kann es allerdings zu unfreiwilligen Patzern kommen, die eine grammatikalische Analyse erforderlich machen: - Hierzu einige Beispiele, die alle auf dem gleichen Prinzip beruhen:
- Er suchte über die Zeitung einen Bilddruck für seinen Onkel, der schon seit längerer Zeit vergriffen war.
- Wir bieten eine Wohnung für eine eine größere Familie an, die frisch instand gesetzt ist.
- Er schrieb einen Brief an seinen Vater, der schon seit längerem überfällig war.
- Ein Seemann tanzte mit einem Holzbein.
In jedem dieser Fälle wurde die Konstruktion am Satzende von dem Substantiv getrennt, zu dem sie gehört. Will man die unfreiwillige Komik vermeiden, muss an die Sätze so umformulieren, daß die Konstruktion jeweils direkt auf das fragliche Substantiv folgt, es also “postmodifiziert” (Ein Seemann mit einem Holzbein...).
Die Grammatik wird in Untergebiete eingeteilt. Am häufigsten ist die Aufspaltung in Syntax und Morphologie:
Syntax
Die Syntax beschäftigt sich mit der Weise, in der Wörter angeordnet sind, um Bedeutungsbeziehungen innerhalb (und manchmal zwischen) Sätzen aufzuzeigen. In der Regel geht es um die Satzstruktur, da dort die wichtigsten grammatikalischen Beziehungen zum Ausdruck kommen.
Hierher gehören insbesondere die Regeln über die Wortstellung, also z.B. die Drehung von Subjekt und Prädikat bei der Umformung eines Satzes in einen Fragesatz:
» Einerseits: Ich habe ein Auto
» Andererseits (gedreht): Habe ich ein Auto (?)
Ferner gehört hierhin die Typologie der Wortstellung in SVO-Sätze, usw. Näheres hier (auch zur Wortstellung auf anderen Planeten).
Die richtige Wortstellung würde auch die unfreiwillige Komik beim obigen Beispiel mit dem “vergriffenen Onkel” vermeiden.
Morphologie
Dieser Zweig der Grammatik befaßt sich mit der Struktur von Wörtern. Beispielsweise lassen sich In der folgenden Liste 3 Wörter in Teile zerlegen , von denen jeder eine gewisse unabhängige Bedeutung trägt:
Unfreundlichkeit: Un - freund - lich - keit
Pferde: Pferd - e
singend: sing - end
ja: ja
Das Wort Ja besitzt keine innere grammatikalische Struktur. Wir können die Laute analysieren, aus denen es sich zusammensetzt: /j/ und /a/, doch isoliert haben sie keine Bedeutung.
Im Gegensatz dazu haben Pferd, sind und freund ganz offensichtlich eine Bedeutung. Das Gleiche gilt für die Elemente, die an sie angefügt sind (die sog.”Affixe”):
» un- trägt eine Verneinung in sich
» -lich bezeichnet eine Eigenschaft
» -keit drückt einen Zustand oder eine Eigenschaft aus
» -e bezeichnet den Plural, und
» -end steht für eine gewisse Handlungsdauer.
Die kleinsten bedeutungstragenden Elemente, in die Wörter zerlegt werden können, nennt man Morpheme; die Art und Weise, wie sie in der Sprache wirken, bilden den Gegenstand der Morphologie.
Die oben angeführten Wörter lassen sich leicht in Morpheme zerlegen; selbst ein ungewöhnliches Wort wie Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän ist ohne weiteres in seine Morpheme aufspaltbar.
In vielen Sprachen (den “agglutierenden”) kommen innerhalb eines Wortes lange Morphemfolgen vor, die sich auf die gleiche Weise analysieren lassen.
So bedeutet in der Sprache der Eskimo das Wort angyaghllangyugtuq : “er will sich ein großes Boot anschaffen”. Deutsche Muttersprachler empfinden solche Worte auf den ersten Blick als sehr unübersichtlich, aber das Wort lässt in seine Morpheme zerlegen:
» angya- Boot
» -ghlla- ein Affix, das eine Verstärkung ausdrückt (großes)
» -ng- sich anschaffen
» -yug- ein Affix, das einen Wunsch ausdrückt
» -tuc- ein Affix für die 3. Person Singular
Das Deutsche besitzt relativ wenige solcherart konstruierte Wörter, doch kommen sie in agglutierenden und flektierenden Sprachen wie Türkisch und Latein in breitem Umfang vor. - Ein Verb der afrikanischen Sprache Bilin könnte in über 10.000 unterschiedlichen Formen auftreten.
Das Hauptgebiet der Morphologie ist die Flexionsmorphologie. Sie beschäftigt sich damit, wie Wörter abgeändert (d.h. “flektiert”) werden, um grammatikalische Unterschiede auszudrücken, wie z.B. Singular / Plural oder Präsens / Imperfekt.
Sie wurde früher “Formenlehre” genannt, weil bspw. Kind und Kinder zwei Formen desselben Wortes sind.