Lautverschiebung

Die Spaltung in „Hoch-“ und „Niederdeutsch“ war die Folge der 2. Lautverschiebung, etwa um 500 n.Chr. Die 1.Lautverschiebung hatte rund 1000 Jahre vorher stattgefunden (um 500 v.Chr.), durch die sich das Germanische von den anderen indoeuropäischen Sprachen abgehoben und eine eigene Sprachgruppe (die germanischen Sprachen) gebildet hatte.

Diese 1. Lautverschiebung brachte insbesondere neuartige Reibelaute hervor, die den anderen indoeuropäischen Dialekten fremd waren und die ihre Sprachen bzw. Dialekte deutlich von denen der anderen indoeuropäischen Stämme unterschieden.

Die 2. Lautentwicklung fand etwa 1.000 Jahre später statt (also etwa 500 n.Chr.). Sie bildet den Übergang vom (rekonstruierten) Germanisch zum Althochdeutschen. Sie trennt die Aussprache der deutschen Mundarten von der der übrigen Germanenstämme, insbesondere von der englischen Gruppe, die die zweite Lautverschiebung nicht mitgemacht hat. Nun erst kann man von einer „deutschen“ Sprachgruppe reden.

Aufgliederung in Hoch- und Niederdeutsch

Zu dieser Zeit fand auch die Aufgliederung in „Hochdeutsch“ und „Niederdeutsch“ statt. Beide Gruppen haben sich also direkt aus dem Germanischen entwickelt, also nicht etwa in der Weise, daß sich aus dem Germanischen zunächst die deutsche Sprache und hieraus dann die beiden Untergruppen (Hochdeutsch und Niederdeutsch) gebildet hätten.

Vielmehr hatte sich das Westgermanische (aus dem das Hochdeutsche und Niederdeutsche hervorgegangen ist) bereits in Dialekte zergliedert, die sich allerdings noch nicht sehr stark voneinander unterschieden. Gegen Ende des 6. Jahrhunderts begannen sie jedoch immer stärker auseinanderzudriften.

Einzelheiten

Die Menschen in den südlichen und mittleren Regionen des heutigen deutschen Sprachraums begannen nämlich, bestimmte Wörter jetzt etwas anders auszusprechen als früher. Vor allem die Konsonanten p, t und k wurden umgewandelt: je nach der Position im Wort wurde das k zu ch, das p zu pf, f oder ff und das t zu z, s oder ss.

Dagegen machten die Sachsen und Friesen im Norden diese neuen Sitten nicht mit und blieben bei ihrer überkommenen Sprechweise.

Dies kann man heute noch hören: Der gleiche Satz lautet auf hochdeutsch:

Ich will essen und schlafen

und auf Plattdeutsch

Ik will äten un slapen

Hierzu einige weitere Beispiele:

open und offen, Appel und Apfel, watt und was. Milk und Milch.

(Quelle: Krischke Wolfgang, Was heißt hier deutsch?, Kleine Geschichte der deutschen Sprache, Beck-Verlag, Seite 49)

Gründe hierfür

Bis heute kennt man nicht die Gründe für diese Entwicklung. Warum veränderten die Menschen in einigen Gegenden auf einmal ihre Konsonanten, in anderen dagegen nicht? Die Linguisten haben sich hierzu bis heute keine einheitliche Meinung bilden können.

Man vermutet, daß es einfach Nachahmung war: Oft verändern Menschen die Laute und Wörter ihrer Muttersprache unter dem Einfluß anderer Sprachen, Dialekte und Jargons, beispielsweise unter dem Einfluß des Englischen oder der Jugendsprachen.

Dazu ein Beispiel:
Wenn türkischstämmige Jugendliche „isch weiß nisch“ sagen, finden deutschstämmige Altersgenossen dies vielleicht cool und ahmen es nach.

Möglicherweise verbreitet sich diese Aussprache nach und nach über die Jugendszene hinaus in bürgerlichen Schichten der Gesellschaft und würde in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht als korrektes Deutsch gelten.

Im Duden wäre isch dann als Normalfall aufgeführt, ich würde eine Zeitlang noch als „veraltet“ aufgeführt werden und schließlich verschwinden.

So ähnlich könnte es bei der hochdeutschen Lautverschiebung zugegangen sein, nur daß es dort nicht der Einfluß der türkischen Immigranten, sondern der keltisch oder romanisch sprechenden Nachbarn war. Einige Germanen übernahmen deren Lautmuster und kultivierten eine neue Sprechweise. Wie andere Moden (heute zum Beispiel Anglizismen, wie das erwähnte "cool") fanden sich schnell Nachahmer, und breitete sich aus.

(Quelle: Krischke,a.a.O.)

Etwa 200 Jahre später ebbte die Lautverschiebungswelle dann wieder ab. Ausdrücke, die jetzt neu in den Wortschatz gelangten, behielten ihre ursprünglichen Konsonanten.

Ein gutes Beispiel hierfür ist das lateinische palatium.

Das Wort gelangte zwei Mal unabhängig voneinander ins Deutsche: Beim ersten Mal war die Lautverschiebung noch im Gang, aus palatium „Palast“ (ursprünglich der palatinische Berg in Rom) wurde Pfalz.

Beim zweiten Mal, als das Wort in den Wortschatz gelangte, fand keine Verschiebung mehr statt, aus palatium wurde Palast.

Wenn es in der Zeit der Germanen schon Computer gegeben hätte, würden wir also am Comfuter sitzen. Da das Wort aber erst später in den deutschen Wortschatz Eingang gefunden hat, heißt es ordnungsgemäß Computer. ;-)