Sprachübertragung durch Buschtromeln

Die getrommelten Botschaften Schwarzafrikas sind nicht nur von hinreißender Musikalität, sondern vor allem auch erstaunlich effiziente Verständigungsmittel.

Absender der Botschaft ist meist ein Spezialist, der schnell trommeln kann; die Botschaft selbst kann aber jeder verstehen Die Adressaten sind in der Lage, die Trommelsprache direkt in gesprochene zu übersetzen, vorausgesetzt, der Trommler beachtet eine Reihe von Regeln.

Das Prinzip, gesprochene Sprache in getrommelte Nachrichten zu übertragen, also äußerst komplexe Signalbündel (Wörter) in relativ einfache physikalische Signale (einen bestimmten Trommelschlag) umzuwandeln, ist überhaupt nur möglich, weil es sich bei den Sprachen, die durch Buschtrommeln übermittelt werden, um Tonsprachen handelt.

Bei Tonsprachen kommt der Tonhöhe einer Silbe oder eines Wortes eine ganz entscheidende Bedeutung zu, da die Tonhöhe genau so viele - wenn nicht noch mehr - Informationen enthält wie der eigentliche Laut.

Ändert man also den Ton eines Vokals, ändert sich auch die Bedeutung des Wortes.

In der Sprache der Banda-Linda (ein Mitglied der Banda-Sprachen, ca. 30 km südlich des Äquatorialwaldes in der Zentralafrikanischen Republik) gibt es 3 Tonhöhen - tief, mittel, hoch -, die mit 2 verschiedenen Trommeln mit unterschiedlich dicken Trommelbezügen (die große Trommel ist an den Flanken anders bespannt) erzeugt werden.

Jedes Dorf besitzt ein Paar Trommeln, die vom Häuptling aufbewahrt werden. Die Reichweite hängt vom Wetter ab: Sie reicht von 2 km bei schlechtem Wetter bis zu 12 km kurz vor Sonnenaufgang.

Die Buschtrommeln ermöglichen eine schnelle Übertragung von Nachrichten über relativ weite Entfernungen. Die Funktion der Botschaften besteht darin, die Bevölkerung zu informieren und zum Absendepunkt zusammenzurufen. Die Trommeln verkünden Todesfälle, Geburten, einen Markttag, einen Unfall im Busch und dergleichen. Das Repertoire ist unbegrenzt. So sind in neuerer Zeit neue Nachrichtentypen aufgekommen: etwa eine Steuereintreibung oder die Ankunft eines Verwaltungsbeamten oder eines Ärzteteams.

Die Botschaften bestehen aus einem standardisierten Teil, der den Abender, die Art der Botschaft und den Empfänger angibt, und einem individuellen Teil, der den eigentlichen Inhalt der Botschaft enthält.

Zur Sicherheit werden die Sätze – oder auch einzelne wichtige Wörter – mehrfach wiederholt.

Der erste Teil der Nachricht ist weitgehend formalisiert und besteht aus einer Reihe von häufig übermittelten Standardinformationen, die wegen ihrer Häufigkeit von jedem sofort verstanden werden, auch wenn sie sich natürlich auch individuell übersetzen lassen.

Ist sie z.B. für den Dorfhäuptling bestimmt (à-màkònjì mit 4 Tieftönen), kündigt die Botschaft eine Verwaltungsmaßnahme, z.B. eine Steuererhebung an.
Richtet sie sich an die Bauern (àyi-kindi kindi – Tiefton, gefolgt von 5 Mitteltönen), informiert sie über dorfinterne Ereignisse.

Das Prinzip der Umsetzung von Wörtern in Trommelsignale ist relativ einfach.

  • Es gibt in den Tonsprachen nur verhältnismäßig wenige Konsonanten und Vokale, so daß sich naturgemäß nur relativ wenige Kombinationen bilden lassen, die durch ihre zu geringe Anzahl keinen ausreichenden Wortschatz zulassen.
  • Die für eine funktionierende Sprache erforderliche Vielfalt an Wörtern wird hier durch ein weiteres Unterscheidungsmehrkmal gebildet: die Tonhöhen, durch die die Anzahl der möglichen Wörter (bei 3 Tonhöhen, wie bei Banda-Linda) auf das 3-fache erhöht werden.
  • Die zwei wesentlichen Komponenten einer Silbe bzw. eines Wortes (Buchstaben einerseits und Tonhöhe andererseits) werden nun dadurch erzeugt, daß die Vokale/Konsonanten durch bestimmte Schlagkombinationen bzw. Schlagrythmen und die Tonhöhen direkt durch Wahl der entsprechenden Trommel erzeugt werden. Beides zusammen ergibt dann ein eindeutiges, verständliches Wort.
Wasserträger

 

Das einzige Problem beim Erzeugen und Verstehen der Signale besteht darin, die einzelnen Schlagkombinationen zu erlernen, ihnen also bestimmte Laute zuzuordnen. Die Tonhöhen sind ja ohnehin bekannt.

Das Erlernen der Töne erfolgt mehr oder weniger automatisch in der Kindheit der Dorfbewohner. Es ist ein ganz normaler Teil des Wissens, das man sich in einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur anzueignen hat und auch aneignet.

So wie ein Kind bei uns den Gebrauch des Radio- und Fernsehgerätes oder die Bedeutung der 3 Farben auf einer Fußgängerampel lernt, so erlernen die Kinder dort die Gegenstände ihrer dortigen Umgebung, also beispielsweise giftige von ungiftige Pflanzen zu unterscheiden, sich vor Giftschlagen zu hüten, oder eben die Schlagkombinationen der Buschtrommeln zu erkennen und in ihre gesprochene Sprache umzusetzen.

Der Vorgang ähnelt ein wenig dem Morse-Alphabet. Jeder Funker und jeder Offiziersanwärter der Marine lernt es binnen kurzem, eine gemorste Nachricht simultan in gesprochene Sprache zu übertragen, gleichgültig ob er sie optisch oder akustisch wahrnimmt.

Quelle: Cloarec-Heiss, Spectrum der Wissenschaft

Sprachübertragung durch Buschtrommeln


Die getrommelten Botschaften Schwarzafrikas sind nicht nur von hinreißender Musikalität, sondern vor allem auch erstaunlich effiziente Verständigungsmittel.

Absender der Botschaft ist meist ein Spezialist, der schnell trommeln kann; die Botschaft selbst kann aber jeder verstehen Die Adressaten sind in der Lage, die Trommelsprache direkt in gesprochene zu übersetzen, vorausgesetzt, der Trommler beachtet eine Reihe von Regeln.

Das Prinzip, gesprochene Sprache in getrommelte Nachrichten zu übertragen, also äußerst komplexe Signalbündel (Wörter) in relativ einfache physikalische Signale (einen bestimmten Trommelschlag) umzuwandeln, ist überhaupt nur möglich, weil es sich bei den Sprachen, die durch Buschtrommeln übermittelt werden, um Tonsprachen handelt.

Bei Tonsprachen kommt der Tonhöhe einer Silbe oder eines Wortes eine ganz entscheidende Bedeutung zu, da die Tonhöhe genau so viele - wenn nicht noch mehr - Informationen enthält wie der eigentliche Laut.

Ändert man also den Ton eines Vokals, ändert sich auch die Bedeutung des Wortes.

In der Sprache der Banda-Linda (ein Mitglied der Banda-Sprachen, ca. 30 km südlich des Äquatorialwaldes in der Zentralafrikanischen Republik) gibt es 3 Tonhöhen - tief, mittel, hoch -, die mit 2 verschiedenen Trommeln mit unterschiedlich dicken Trommelbezügen (die große Trommel ist an den Flanken anders bespannt) erzeugt werden.

Jedes Dorf besitzt ein Paar Trommeln, die vom Häuptling aufbewahrt werden. Die Reichweite hängt vom Wetter ab: Sie reicht von 2 km bei schlechtem Wetter bis zu 12 km kurz vor Sonnenaufgang.

Die Buschtrommeln ermöglichen eine schnelle Übertragung von Nachrichten über relativ weite Entfernungen. Die Funktion der Botschaften besteht darin, die Bevölkerung zu informieren und zum Absendepunkt zusammenzurufen. Die Trommeln verkünden Todesfälle, Geburten, einen Markttag, einen Unfall im Busch und dergleichen. Das Repertoire ist unbegrenzt. So sind in neuerer Zeit neue Nachrichtentypen aufgekommen: etwa eine Steuereintreibung oder die Ankunft eines Verwaltungsbeamten oder eines Ärzteteams.

Hütte

 

Die Botschaften bestehen aus einem standardisierten Teil, der den Abender, die Art der Botschaft und den Empfänger angibt, und einem individuellen Teil, der den eigentlichen Inhalt der Botschaft enthält.

Zur Sicherheit werden die Sätze – oder auch einzelne wichtige Wörter – mehrfach wiederholt.

Der erste Teil der Nachricht ist weitgehend formalisiert und besteht aus einer Reihe von häufig übermittelten Standardinformationen, die wegen ihrer Häufigkeit von jedem sofort verstanden werden, auch wenn sie sich natürlich auch individuell übersetzen lassen.

Ist sie z.B. für den Dorfhäuptling bestimmt (à-màkònjì mit 4 Tieftönen), kündigt die Botschaft eine Verwaltungsmaßnahme, z.B. eine Steuererhebung an. Richtet sie sich an die Bauern (àyi-kindi kindi – Tiefton, gefolgt von 5 Mitteltönen), informiert sie über dorfinterne Ereignisse.

Das Prinzip der Umsetzung von Wörtern in Trommelsignale ist relativ einfach.

  • Es gibt in den Tonsprachen nur verhältnismäßig wenige Konsonanten und Vokale, so daß sich naturgemäß nur relativ wenige Kombinationen bilden lassen, die durch ihre zu geringe Anzahl keinen ausreichenden Wortschatz zulassen.
  • Die für eine funktionierende Sprache erforderliche Vielfalt an Wörtern wird hier durch ein weiteres Unterscheidungsmehrkmal gebildet: die Tonhöhen, durch die die Anzahl der möglichen Wörter (bei 3 Tonhöhen, wie bei Banda-Linda) auf das 3-fache erhöht werden.
  • Die zwei wesentlichen Komponenten einer Silbe bzw. eines Wortes (Buchstaben einerseits und Tonhöhe andererseits) werden nun dadurch erzeugt, daß die Vokale/Konsonanten durch bestimmte Schlagkombinationen bzw. Schlagrythmen und die Tonhöhen direkt durch Wahl der entsprechenden Trommel erzeugt werden. Beides zusammen ergibt dann ein eindeutiges, verständliches Wort.
Wasserträger

 

Das einzige Problem beim Erzeugen und Verstehen der Signale besteht darin, die einzelnen Schlagkombinationen zu erlernen, ihnen also bestimmte Laute zuzuordnen. Die Tonhöhen sind ja ohnehin bekannt.

Das Erlernen der Töne erfolgt mehr oder weniger automatisch in der Kindheit der Dorfbewohner. Es ist ein ganz normaler Teil des Wissens, das man sich in einer bestimmten Gesellschaft oder Kultur anzueignen hat und auch aneignet.

So wie ein Kind bei uns den Gebrauch des Radio- und Fernsehgerätes oder die Bedeutung der 3 Farben auf einer Fußgängerampel lernt, so erlernen die Kinder dort die Gegenstände ihrer dortigen Umgebung, also beispielsweise giftige von ungiftige Pflanzen zu unterscheiden, sich vor Giftschlagen zu hüten, oder eben die Schlagkombinationen der Buschtrommeln zu erkennen und in ihre gesprochene Sprache umzusetzen.

Der Vorgang ähnelt ein wenig dem Morse-Alphabet. Jeder Funker und jeder Offiziersanwärter der Marine lernt es binnen kurzem, eine gemorste Nachricht simultan in gesprochene Sprache zu übertragen, gleichgültig ob er sie optisch oder akustisch wahrnimmt.

Quelle: Cloarec-Heiss, Spectrum der Wissenschaft