Wortschatz
Unser Wortschatz ist aus Erbgut, Neugut und Fremdgut zusammengewachsen.
- Als Erbgut bezeichnen wir die Wörter, die unsere Vorväter aus ihrer indogermanischen Urzeit mitgenommen und beibehalten haben.
- Neugut sind Wörter, die sie dann aus eigenem Sprachgut und ohne fremde Vorbilder im Lauf unserer Geschichte gebildet haben.
Es entsteht entweder durch Wortschöpfung, d.h. durch Nutzung einer bisher noch nicht als sinnvoll empfundenen Lautgruppe, oder durch Wortbildung , d.h. durch Fortbildung eines bereits bestehenden Wortes (etwa durch Zusammensetzungen und Ableitungen).
Je älter eine Sprache ist, um so seltener sind ihre Wortschöpfungen, um so häufiger ihre Wortbildungen.
- Fremdgut nennen wir Wörter, die aus fremden Sprachen in die deutsche herübergenommen oder nach dem Vorbild fremder Sprachen gebildet sind.
Bei Fremdgut unterscheidet man ferner zwischen Fremdwörtern und Lehnwörtern.
Unterschied: Hat ein Wort, das aus einer anderen in unsere Sprache herübergenommen wurde, Lautentwicklungen unserer Muttersprache mitgebracht, so bezeichnen wir es als Lehnwort ; ist das nicht der Fall, nennen wir es Fremdwort.
Beispiele: Unser Wort Fenster z.B. entstammt dem lat. fenestra; es hat den Ton auf die erste Silbe zurückgezogen und sich damit den deutschen Betonungsgesetzen unterworfen; es ist also ein Lehnwort.
Das Wort Paragraph, das über das Lateinische aus dem Griechischen zu uns gekommen ist, hat zwar die griechische Endung abgeworfen, aber die fremde Endbetonung beibehalten und auch sonst lautlich nicht geändert; es ist ein Fremdwort geblieben.
Ein deutsches Wort, das ein fremdsprachiges Wort aus eigenem Sprachstoff nachzuahmen sucht, heißt Lehnübersetzung. So ist unser Wort Gewissen genau dem lat. conscientia nachgeformt (con = Ge-; scire = wissen); es ist eine Lehnübersetzung.
Rückwanderer: Manchmal sind die Fremdwörter, die zu uns kommen, ursprünglich germanischer oder deutscher Herkunft, Teile unseres alten Wortschatzes, die auf die Wanderschaft gegangen sind und nun zurückgeholt werden. Man nennt sie Rückwanderer.
So ist das Lehnwort Banner, im Mittelalter als dem frz. bannière herübergeholt, aus dem westgermanischen Wort banda = Zeichen ins Romanische gedrungen. Etwa gleichzeitig kehrte auch das Wort Galopp zu uns zurück, das die Romanen der altfränkischen Heeressprache des 8. Jahrhunderts entlehnt hatten (eigentlich hieß es: wala hlaupit = es läuft gut, wohl).
Wortwandel
Die Geschichte des deutschen Wortschatzes ist kein Wachstum schlechthin. Jedem Mehr auf der einen entspricht vielmehr ein Minder auf der anderen Seite. Wenn neue kulturelle, politische oder wirtschaftliche Gegebenheiten ihren Ausdruck suchen , wenn alte Gegebenheiten aufgegeben werden oder absterben, werden neue Wörter nötig, andere sterben aus oder bekommen einen anderen Sinn.
Ein aufschlußreiches Beispiel hierfür ist der Name für “Kupfer”. Unsere Bezeichnungen hierfür haben mehrfach gewechselt
1. In den ältesten Zeiten, die wir geschichtlich erschließen können, gab es es bei den Germanen ein Wort, das etwa ajiz gelautet haben muß und mit lat. aes verwandt war. Es bedeutete eigentlich: “Metall von der Insel Agasja” (so hieß der alte Name für Kypros). Unser Adjektiv "ehern" gehört zum gleichen Stamm, der .
2. Dann entlehnten unsere Vorväter aus dem Sumerischen das Wort ahd. aruzzi (= sum. urundu), das sich im Lauf der Zeiten zu unserem Wort Erz entwickelte. Schließlich kam vom lat. aes cyprium (= Erz aus Kypros, über das Mittellateinische cuprum) die ahd. Bildung kupfar – nhd. Kupfer zustande.
Was ist der Grund? Woher erklärt sich dieser Wortwandel für die gleiche Sache (Kupfer)?
Es war eben nicht die gleiche Sache (Kupfer), die in den verschiedenen Zeiten verschieden benannt wurde. Vielmehr wechselten die Legierungsmethoden und die Verwendungsweisen des Metalls.
- Das älteste Wort (ajiz) ist abgestorben und nur noch im Adjektiv (ehern) erhalten;
- das zweite Wort (Erz) ist zu allgemeiner Bedeutung (“mineralhaltiges Eisen”) abgeblaßt;
- das dritte Wort (Kupfer) ist für unsere Zeit (und nun seit einem Jahrtausend) die Bezeichnung des Metalls.
Inhaltswandel
Neben diesem Wortwandel (ajiz > Erz > Kupfer) gibt es aber auch einen Inhaltswandel, wenn nämlich für die neue Sache ein altes Wort benutzt wird.
Unser Lehnwort Meister entstammt dem lat. magister und bezeichnete demgemäß zunächst den Lehrer, dann den Lehrherrn und Gelehrten, in weiterer Entwicklung sinngemäß den Schulvorsteher so gut wie den Handwerker, der Lehrlinge anlernen konnte (Zunftmeister), schließlich jeden überlegenen Könner seines Faches.
Der Bedeutungswandel ist immer das Ergebnis einer kulturellen, wirtschaftlichen, geistigen oder politischen Änderung. Er betrifft daher niemals nur ein Wort, sondern verschiebt die Sinngehalte aller Wörter, die zum gleichen Bedeutungskreis gehören.
So kann der Inhaltswandel, der z.B. unserem Wort Elend im Laufe der Jahrhunderte ein ganz anderen Sinngehalt zugeschoben hat, als es ursprünglich hatte (nämlich Ausland, Fremde) nur dann verstanden werden, wenn man den ganzen Bedeutungskreis des alten Wortes, sein sog. Wortfeld, mitbetrachtet.
Dann wird z.B. deutlich, daß “Elend” für “Ausland” etwa in der gleichen Zeit seine alte Bedeutung verliert, in der “Vaterland” sich an die Stelle von “Heimat” setzt, d.h. als eine nüchterne Vernunftszeit allzu gefühlsbetonte Wörtern verdrängte. Dadurch wurde Elend für den Gefühlsbereich frei, in dem es sich nun weiterentwickelte (Elend = hochgradige Not; als Beiwort elend später auch = erbärmlich, schurkisch).
Noch einige Beispiele für einen Bedeutungswandel. Die Wörter links hatten früher die rechts genannte Bedeutung:
» Ampel kleine Flasche
» blöd schüchtern
» Droge trockene Fässer
» fasten bewachen
» feige dem Tode verfallen
» heulen wie eine Eule schreien
» Hüne Ungar
» Markise Markgräfin
» Narbe Enge
» ordinär ordentlich
» Pinsel Schwänzchen
» Rune Geheimnis