Sprachen erlernen
Welches ist eigentlich die beste Methode, fremde Sprachen zu erlernen?
Nun, Patentrezepte hierfür gibt es nicht.
1.
Die beste Methode ist natürlich, in einer mehrsprachigen Familie aufzuwachsen, wie es bei den Kindern von Eltern unterschiedlicher Nationalität (sog. gemischt-nationalen Ehen) der Fall ist.
Dabei hat sich herausgestellt, daß die Kinder hiermit keineswegs „überfordert“ sind, wie immer wieder behauptet wird. Das mehrsprachige Aufwachsen muß durchaus nicht dazu führen, daß die Kinder Probleme Entwicklungsrückstände bekommen, o.ä. Es ist vielmehr immer wieder faszinierend, wie schnell sie von einer in die andere Sprache „umschalten“, oft mitten im Satz.
Diese Erfahrung hat der Autor selbst in seiner Familie gemacht. Mein Bruder war nacheinander mit 2 Französinnen verheiratet bzw. liiert, wobei aus diesen Beziehungen 3 Kinder hervorgegangen sind. Die Eltern haben mit ihnen zu Hause französisch gesprochen, während die Kinder die deutsche Sprache in ihrer sonstigen Umgebung (Kindergarten, Spielplatz, usw.) ohne irgendwelche Probleme gelernt haben.
Merkliche Verzögerungen gab es entgegen allgemeinen Befürchtungen nicht. Die Kinder haben das Sprechen (und zwar beider Sprachen!) im wesentlichen in der gleichen Zeit gelernt wie andere Kinder auch.
Aber auch wenn Kinder in einer Umgebung mit noch mehr Sprachen aufwachsen, scheint es keine größeren Probleme beim Erlernen der Sprache zu geben. Der Autor konnte über mehr als 10 Jahre lang die Entwicklung von 2 Kindern verfolgen, die in einer Familie in Deutschland aufwuchsen, in der gleichzeitig 4 Muttersprachen gesprochen wurden:
Es handelte sich um den Inhaber meines Stammrestaurants. Der Großvater stammt aus Jugoslawien. Er und sein Sohn (der bereits in Deutschland geboren ist) sprechen außer Deutsch auch Serbisch. Die Großmutter stammt aus Rumänien, die Mutter (also die Ehefrau des Restaurantbesitzers) ist Italienerin.
Beide Kinder sprachen im Alter von spätestens 3 Jahren perfekt deutsch, wie andere Kinder auch, und wie nicht anders zu erwarten. Die 3 anderen Sprachen beherrschten sie etwa 1 Jahr später, obwohl der Lernvorgang sich dadurch etwas schwieriger gestaltete, daß alle Familienmitglieder ständig durcheinander sprachen, teilweise in 3 Sprachen gleichzeitig.
Auch wenn die Verhältnisse deshalb dort manchmal etwas „chaotisch“ anmuteten, waren keine Entwicklungsrückstände der Kinder in anderen Bereichen festzustellen, obwohl diese (so nebenbei und von ganz alleine) 4 Sprachen gleichzeitig lernten.
Das mehrsprachige Aufwachsen ist somit sicher die beste Voraussetzung für das Erlernen mehrerer Sprachen. Aber auch in späteren Jahren - und auch noch als Erwachsener - ist ein Auslandsaufenthalt die bei weitem beste Methode, eine fremde Sprache perfekt und in kürzester Zeit zu erlernen, vor allem in einer Familie.
Übrigens ist der folgende Satz sicher nicht falsch:
Die beste Methode sei immer noch: “Such Dir eine französische Freundin, und es klappt von alleine” (Une langue est préférable d'apprendre au lit).
Diese Methode hatte mein Bruder seinerzeit anläßlich eines Frankreichurlaubes angewandt. Trotz nur sehr rudimentärer Vorkenntnisse (3 Jahre Schulfranzösisch) beherrschte er innerhalb weniger Wochen die Umgangssprache und sprach nach wenigen Monaten fast perfekt.
Als er nach 2 Jahren mit seiner Freundin, die er inzwischen geheiratet hatte, nach Frankreich zog und eine Kochausbildung absolvierte, hielten ihn die meisten Franzosen für einen Muttersprachler.
2.
Aber nicht jeder hat das Glück, einige Wochen in einer Gastfamilie verbringen zu können oder eine fremdsprachliche/n Freund/in zu haben.. Und außerdem muß man von der fremden Sprache zumindest schon „ein paar Brocken“ beherrschen (je mehr desto besser), um von einem solchen Kontakt wirklich etwas zu haben. Denn wenn man sozusagen „bei Null anfängt“, dauert es einfach zu lange, bis der eigentliche (dann allerdings sehr rasante!) Lernprozeß anfängt.
Welches ist aber für den „Normalfall“ die beste Methode, eine fremde Sprache zu lernen?
Über lange Zeit war die klassische Methode, wie sie seit Jahrhunderten in der Schule vermittelt worden ist, die häufigste Art zu lernen. Das Verfahren war einfach: Vokabeln pauken, Grammatikregeln einüben, Ausnahmen büffeln. Wie auf dem Kasernenhof wurde immer wieder dieselbe grammatische Schwierigkeit mechanisch geübt, bis sie „saß“. Und schließlich wurde versucht, daraus fremdländische Sätze zusammenzubasteln. Mit mehr oder wenige Erfolg, meist mit weniger. Das Sprechen war mühsam und langsam.
3.
Heute wird diese Methode kaum noch angewandt. Statt dessen wird die Konversationsmethode vorgezogen. Der Schüler soll die fremde Sprache möglichst oft hören und in natürlichen Sprechsituationen versuchen, sich zu verständigen.
Am besten funktioniert diese Methode in dem Land, in dem diese Sprache auch gesprochen wird. Deswegen sind Sprachferien so beliebt. Neben der Gelegenheit, das Gelernte nach Ende der Lektion sofort praktisch zu erproben, wirkt die Umgebung motivierend. Man spürt unmittelbar, wozu man lernt.
Diese Methode beruht auf der Erkenntnis, daß jeder sich eine fremde Sprache aneignet, wenn er nur lange genug im Ausland lebt. Studenten aus der früheren DDR, die in Moskau studierten, benötigten 2 Jahre, dann beherrschten sie das schwierige Russisch fließend – und zwar alle, unabhängig von der Sprachbegabung.
Und hier liegt zugleich auch der Nachteil dieser Methode. Sie erfordert sehr viel Zeit. Und außerdem einen oder mehrere Partner, mit denen man sich unterhält. Außerdem bleibt das so Gelernte nicht lange haften. Ohne dauerndes Hören und Sprechen geht das einmal erlangte Sprachgefühl bald wieder verloren.
4.
Was macht aber jemand, der für seinen Beruf Sprachkenntnisse benötigt, dem der Beruf aber keine Zeit für aufwendige Auslandsaufenthalte oder Lernprogramme läßt? Oder der aus anderen Gründen hierfür keine Zeit und/oder kein Geld hat?
Im folgenden soll eine ebenso leichte wie effektive Methode vorgestellt werden. - Das Grundprinzip ist relativ einfach:
Man lernt ganze Texte statt irgendwelcher Vokabellisten und abstrakter Grammatikregeln!
Konkret:
- Man kauft sich ein Wörterbuch und eine Grammatik.
- Mit ihrer Hilfe nimmt man sich Texte aus der betreffenden Sprache vor und übersetzt sie sorgfältig.
- Dann lernt man - statt Vokabeln und Regeln - lediglich die Texte auswendig!
Ein Text, der alle benötigten Vokabeln und Grammatikregeln in ihrer Anwendung enthält, ist leichter zu lernen und zu merken als lange Wortlisten. Denn man lernt die Wörter im Zusammenhang. Und man prägt sich die Anwendung der Regeln und der Grammatik ein. Vor allem vergißt man keine einzige Vokabel und keine grammatische Regel. Denn alles ist Bestandteil des Textes, der zwischen ihnen einen unlöslichen, sinnvollen Zusammenhang herstellt.
Beim Lernen ganzer Sätze behält man die einzelnen Komponenten (Vokabeln, Grammatik) viel besser im Gedächtnis als beim Auswendiglernen von Vokallisten und abstrakter Grammatikregeln.
Wohl die meisten haben diese Erfahrung gemacht, als sie sich - meist im jugendlichen Alter - das erste Mal mit Liedtexten befaßt haben. Bei manchen waren es die Texte von Cat Stevens oder Bob Dylan, bei mir waren es französische Lieder und Chansons von Adamo, Charles Aznavour und anderen Chansonniers. Ich habe die Lieder so oft gehört, bis ich sie auswendig konnte.
Nicht um den Text zu üben, sondern weil sie mir so gut gefielen. Natürlich interessierte mich auch der der Inhalt, also habe ich sie mir Wort für Wort übersetzt. Damit „saßen“ dann rund 50 Liedtexte - ohne großen Aufwand, geradezu spielerisch. Und damit saß dann auch der wesentliche Grundwortschatz, außerdem rund 90 % der Regeln und der Grammatik. Und dies gleich im Zusammenhang und in der praktischen Anwendung. Hierauf konnte ich problemlos aufbauen.
Auf dieser Erfahrung beruht das System der hier empfohlenen Methode. Dabei ist es gar nicht nötig, Hunderte von Texten auswendig zu lernen. Es genügen rund 20 Texte von 2 - 3 Seiten Länge. Diese Texte enthalten die in der Praxis erforderliche Grammatik (zudem in der Anwendung) und etwa 3.000 Vokabeln - also mehr, als das Abitur bietet. Wenn man täglich 1 - 1 1/2 Stunden Zeit einplant, läßt sich dieses Pensum in weniger als 1/2 Jahr schaffen. Und wenn man weniger Zeit hat, muß man die Texte nur in kürzere Einheiten teilen.
Das Lernen der Texte ist nicht sehr schwer - probieren Sie es aus! Das Wichtigste ist es, die Texte ständig zu wiederholen. Denn nach knapp 1 Woche ist der gelernte Text aus dem Gedächtnis wieder verschwunden, wenn man es beim einmaligen Lernen beläßt. - Andererseits: Jede Wiederholung verdoppelt die Zeit, bis man das Gelernte wieder vergißt. Dies bedeutet: 5 Wiederholungen entsprechen schon einem Zeitraum von 16 Wochen, also rund 4 Monaten. Und 4 weitere Wiederholungen erhöhen diesen Zeitraum auf rund 5 Jahre!
5.
Und wie läuft es praktisch ab?
Klaus Berlin hat das Verfahren in einem Beitrag bei EGONet (übrigens einer ganz hervorragenden Online-Zeitschrift) eingehend beschrieben:
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Man lernt zunächst den Text. Er muß nicht perfekt sitzen, sondern nur so einigermaßen. (Dafür benötigen Sie je nach Textlänge 15 Minuten bis eine Stunde. Mehr sollten Sie sich nicht auf einmal vornehmen.) Die Festigung überlassen Sie dem Wiederholen. Sie repetieren den neu gelernten Text im Kopf noch mal 1/2 Stunde später. Wenn Sie stecken bleiben, schauen Sie ins Buch, prägen sich die Stelle erneut ein und machen dann im Kopf weiter.
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Auf die gleiche Weise wiederholen Sie am nächsten Tag. Zunächst im Kopf, bei „Hängern“ schauen Sie ins Buch. Dann schauen Sie sich den gesamten Text im Buch an, ob alles korrekt war, und wiederholen ihn (ohne ins Buch zu schauen) noch einmal.
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Die nächste Wiederholung erfolgt nach zwei Tagen, dann nach 4 Tagen, nach 8 Tagen, 16 Tagen und so weiter. Sie erreichen schnell einen Stand, wo Sie nur noch nach Monaten wiederholen brauchen. Mit jeder Wiederholung verfestigt sich außerdem das Gelernte. Der Text, der Ihnen beim Erlernen noch schwierig vorkam, voll von Zungenbrechern und merkwürdigen Konstruktionen, erscheint Ihnen nach der achten Wiederholung als etwas Vertrautes.
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Sobald Sie den ersten Text Ihres Lernpensums 2 - 3 mal wiederholt haben – also nach einer halben Woche – können Sie sich den zweiten Text vornehmen: Übersetzen, Wörter und neue Grammatikregeln anschauen, bis Sie sie verstanden haben. Dann den Text auswendig lernen und ihn entsprechend wiederholen.
Von diesem Zeitpunkt an „sitzen“ die Vokabeln und die Grammatik. Wenn Sie später ins Mutterland Ihrer Fremdsprache fahren und Vokabeln benötigen, blättern Sie gedanklich in Ihrem Text nach, wo das entsprechende Wort vorkam. Sie werden schnell feststellen, daß Sie meist gar nicht groß nachdenken müssen. Da Sie einen Haufen Mustersätze im Kopf haben, bilden Sie den benötigten Satz nach Gefühl. Ihre Intuition warnt Sie sofort, wenn Ihr gerade gebildeter Fremdsprachensatz zu dem gelernten Muster in Widerspruch steht.
Da das Wiederholungslernen im Kopf stattfindet, können Sie dafür Warte- und sonstige Leerzeiten nutzen. In der U-Bahn, im Stau, in Wartezimmern, sogar während langweiliger Sitzung, bei denen Sie nur körperlich anwesend sein müssen. Nur wenn Sie sich eine neue Lektion erschließen, benötigen Sie Ruhe und Abgeschiedenheit. Dadurch läßt sich das Lernen ohne weiteres in eine termingefüllte Arbeitswoche integrieren.
Die zuletzt gelernten Texte müssen Sie häufiger wiederholen als die früheren. Bei den früheren sind Sie schon bei größeren zeitlichen Abständen angelangt. Wenn Sie pro Woche Ihrem Gedächtnis zwei neue Texte hinzufügen, können Sie nach 10 Wochen 20 Texte auswendig. Sobald Sie den letzten Text mindestens 8 mal wiederholt haben (nach weiteren 2 Monaten) sind Ihre Sprachkenntnisse anwendungsbereit.
Noch ein weiterer Vorteil dieser Methode. Wenn Sie von Zeit zu Zeit Ihre Texte wiederholen, können Sie Ihre Sprachkenntnisse nicht wieder vergessen! Um meine 21 Französischtexte im Kopf aufzusagen, benötige ich eine bis eineinhalb Stunden. Danach ist alles wieder parat. Wenn ich also Besuch aus Frankreich erhalte oder selbst dorthin fahre, bin ich auf diese Weise in kürzester Zeit wieder fit.
Voraussetzung für diese Methode sind lediglich Regelmäßigkeit, Durchhaltewillen und ein durchschnittliches Gedächtnis. Eine besondere Sprachbegabung ist nicht nötig.
So weit die Hinweise bei EGONet, die sich mit meinen Erfahrung decken, die ich schon viele Jahre früher gemacht habe.
Es handelt sich um eine sehr empfehlenswerte Methode, die man wirklich nur weiter empfehlen kann!
Noch einfacher und effizienter ist die Sache natürlich, wenn man schon über Grundlagen in der betreffenden Sprache verfügt. Dadurch benötigt man - je nach Vorbildung - natürlich keine 20 Texte, sondern naturgemäß deutlich weniger. Oder besser noch: Man läßt die Einführungstexte weg und ersetzt sie durch weitere Texte für Fortgeschrittene.