Wortschatz heute
Die englische Sprache hebt sich nicht nur wegen der in den letzten 1.000 Jahren stark vereinfachten Grammatik deutlich von den übrigen europäischen Sprachen ab. Auch der Wortschatz unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung stark von anderen vergleichbaren Sprachen.
Das vollständigste englische Wörterbuch, das Oxford English Dictionary enthält etwa 500 000 Wörter. Man schätzt jedoch, daß der heutige englische Wortschatz mehr als eine Million Wörter umfasst. Dazu gehören Ausdrücke aus dem Slang und den Dialekten sowie Fachbegriffe aus den Naturwissenschaften und der Technik, die häufig erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet werden.
Dieser große Umfang des englischen Wortschatzes erklärt sich aus den ständigen Entlehnungen aus allen anderen wichtigen europäischen Sprachen, insbesondere Latein, Griechisch, Französisch und den skandinavischen Sprachen, aber auch bei zahlreichen unbedeutenderen Sprachen
Mehr als die Hälfte aller Wörter, die man in einem guten englischen Wörterbuch findet, stammen aus dem romanischen Wortschatz. Nur knapp die Hälfte der englischen Wörter sind germanischen (altenglischen und skandinavischen) Ursprungs.
Es mag überraschen, daß mehr als die Hälfte der Wörter aus dem romanischen (französischen und lateinischen) Wortschatz stammt.
Allerdings sind sie nur mengenmäßig in der Mehrzahl. Die am häufigsten gebrauchten Wurzelwörter (also praktisch die Schlüsselwörter der Sprache) sind germanisch.
Einheimisch sind insbesondere
- die Artikel
- die Hilfsverben
- die starken Verben
- alle Pronomen (Personalpronomen, Demonstrativpronomen u. Possessivpronomen)
- fast alle Präpositionen und Konjunktionen
- die meisten Adverbien der Zeit und des Ortes
- die Zahlwörter (außer dozen, million, billion und milliard. - Die gleichen Wörter hat übrigens auch das Deutsche entlehnt: Dutzend, Million, Billion, Billiarde)
Aus diesen Gründen kann es nie gelingen, Englisch zu schreiben oder zu sprechen, ohne einheimische (d.h. germanische) Wörter zu gebrauchen. Wohl aber umgekehrt.
Da die schriftliche Wiedergabe des Englischen (vor allem aus den beiden folgenden Gründen) phonetisch alles andere als exakt ist, gilt die englische Rechtschreibung als relativ schwierig.
- Zum einen hat sich die Schreibweise der Wörter weniger gewandelt als ihr Klang. So wurde z.B. das heute nicht gesprochene k in knife ebenso wie das gh in right ursprünglich ausgesprochen.
- Zum anderen wandte man verschiedene Rechtschreibkonventionen, die von ausländischen Quellen übernommen wurden, weiterhin an . So wurde z. B. erst im 16. Jahrhundert aufgrund der Autorität des lateinischen Ursprungswortes dubitare das b in doubt (vorher doute geschrieben) eingefügt.
Die Schreibung und Lautung des Englischen klaffen heute weiter auseinander als bei irgend einer anderen Sprache. Die Schreibweise entspricht im wesentlichen noch der des 16. Jahrhunderts (!) und gibt den Lautstand der Zeit um 1400 wieder!
Dies ist darauf zurückzuführen, daß es danach keine nennenswerten Anpassungen der Orthographie an die sich verändernden Lautungen gegeben hat. Das geschriebene Englisch hat heute kaum noch etwas mit dem gesprochenen Englisch gemein.
Man erkennt eine deutliche Parallele zu der Situation 2000 Jahre vorher, als sich das gesprochene Latein (das sog. Vulgärlatein) ebenso weit vom geschriebenen (klassischen) Latein entfernt hatte wie heute das gesprochene vom geschriebenen Englisch. Näheres hier. Auch die Gründe hierfür waren im wesentlichen die gleichen.
Die Diskrepanz zwischen Schreibweise und Aussprache ist am deutlichsten an den 6 verschiedenen Lautwerten der Buchstabengruppe ough zu erkennen: bough, cough, thorough, thought, through und rough. Das Schriftbild stammt aus einer Zeit, als das gh einen im Rachen gebildeten Reibelaut wiedergab, der in allen sechs Wörtern zu hören war.
Weitere offensichtliche Inkonsequenzen sind in den 14 verschiedenen Schreibweisen des Lautes [sch] zu finden: z. B. in anxious, fission, fuchsia und ocean.
Englisch ist in gewisser Weise eine Stieftochter des Lateinischen. Als germanische Sprache ist das Englische mit dem Deutschen eng verwandt; der englische Wortschatz stammt jedoch zu einem weit größeren Teil als der deutsche aus dem Lateinischen.
Wie wir gesehen haben, sind mehr als die Hälfte der heutigen englischen Wörter lateinisch-romanischen Ursprungs.
Von den nicht-romanischen Sprachen ist Englisch die Sprache mit dem stärksten romanischen Einschlag.
Je „anspruchsvoller“ ein Text ist, desto stärker ist das lateinische Element vertreten, und zwar nicht nur beim Wortschatz, sondern auch auf dem Gebiet der Syntax und der Stilistik.
Bei umgangssprachlichen Texten mag der Anteil der lateinisch-romanischen Wörter unter 50 % betragen – in den wissenschaftlichen Fachsprachen liegt er oft bei 70 %