Sprachvergleich

Komparative (vergleichende) Methode


Hierbei wird eine Reihe von Sprachen systematisch miteinander verglichen, um einen historischen Zusammenhang zwischen ihnen nachzuweisen.Ausgehend von formalen Ähnlichkeiten einerseits und Unterschieden der untersuchten Sprachen andererseits versucht man die “Rekonstruktion” einer früheren Entwicklungsstufe, von der sämtliche Formen herrühren könnten.

Gelingt der Nachweis eines gemeinsamen Vorläufers, gelten die betreffenden Sprachen als verwandt.

1. Beispiel

Dies sei zunächst an einem einfachen Beispiel (pater - Vater) verdeutlicht.

Die Rekonstruktion eines deutlich schwierigeren Wortes (anhand eines Beispiels aus dem wissenschaftlichen Unterricht) wird auf der nächsten Seite dargestellt.

Das Wort für “Vater” in der Ursprungssprache der romanischen Sprachen (dem Lateinischen) ist natürlich bekannt (lat.: pater). Es wäre aber auch nicht schwer, es nach der komparativen Methode zu rekonstruieren, wenn es keine schriftlichen Aufzeichnungen über das Lateinische geben würde.

Da die jeweiligen Wörter für “Vater” in den Tochtersprachen (den romanischen Sprachen) der gesuchten Mutter- oder Elternsprache (Latein) bekannt sind und man die Gesetzmäßigkeiten der Sprachveränderungen kennt, wäre es relativ leicht, das betreffende Wort in der Elternsprache zu rekonstruieren.

Diese Methode wendet man an, wenn die Elternsprache nicht erhalten ist So wurden etwa die Formen des Altgriechischen, Lateinischen, Sanskrit, Walisischen, usw. miteinander verglichen, um die indogermanische Form für Vater:*petér zu rekonstruieren.

Der Asterisk (das Sternchen *) zeigt in der historischen Sprachwissenschaft rekonstruierte, nicht schriftlich belegte Formen an.

2. Grad der Verwandtschaft

Damit ist noch nichts über den Grad der Verwandtschaft, usw. ausgesagt ist. Hierüber wird in der Fachwissenschaft oft jahrelang erbittert diskutiert. Die Frage nach dem Grad der Verwandtschaft ist in erster Linie ein quantitatives Problem (insbesondere: welche Wortklassen, wieviel Prozent der Wörter. welche Grammatikteile, usw.)

So wiegt der Nachweis, daß 2 Sprachen auch in Teilen der Grammatik einander ähnlich, also miteinander verwandt sind, wesentlich schwerer als die Ähnlichkeit von Worten. Denn bei Letzteren kommt immer auch die Übernahme der Wörter als Lehnwörter in Betracht (wie es ja noch heute ständig geschieht).

Dagegen ist die Übernahme von Grammatikteilen aus einer anderen Sprache wesentlich seltener und dauert auch wesentlich länger.(um mehrere Größenordnungen) als die Übernahme von Worten.

Wenn also auch signifikante grammatikalische Ähnlichkeiten vorliegen, ist der Nachweis einer Verwandtschaft in der Regel erbracht.

3. Aussprache

Die Aussprache solcher rekonstuierten Formen gibt immer wieder Anlaß zu teilweise heftigen Debatten:

Manche Wissenschaftler schreiben den Formen gerne phonetische Werte zu, als ob sie Teil einer realen Sprache seien, während andere die Rekonstruktion als abstrakte Formeln für die festgestellten Übereinstimmungen sehen.

a.

Die erstere Auffassung hängt sicher auch damit zusammen, daß sich die Wissenschaft außerordentlich stark bemüht, die Vokale in den rekonstruierten Wörter mit viel Mühe und Aufwand so genau zu bestimmen, wie es überhaupt nur möglich ist. So gibt es in der historischen Sprachwissenschaft eine Vielzahl von Sonderzeichen , um die ungefähre Aussprache (mit dem höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad) so genau wie möglich darzustellen. (Wegen der bekannten Browserprobleme diese hier nicht dargestellt werden, weil sie auf den verschiedenen Browsern ohnehin nicht oder nicht richtig abgebildet werden würden).

Es erscheint daher nur konsequent, die Sonderzeichen wörtlich zu nehmen und ihnen eine konkrete Aussprache zuzuordnen. Es hat wenig Sinn, in endlosen Debatten, Seminaren und Veröffentlichungen geistreich zu diskutieren, ob ein Bestimmter Laut offen, halboffen, halbgeschlossen oder geschlossen auszusprechen ist und ob er palatal oder pharyngal erzeugt wird, wenn all dies dann ohnehin bei der Ausschreibung keine Bedeutung haben soll.

Etwas fragwürdig erscheint diese genaue, strenge Differenzierung ohnehin, weil gerade dieser Bereich hohe Unsicherheitsmomente aufweist. Es ist ein wenig wie bei den ägyptischen Hieroglyphen, wo man auch nur die ungefähre Aussprache kennt und niemand mit absoluter Sicherheit sagen kann, wie sich ein bestimmtes Wort denn nun ganz genau ausspricht.

b.

Die gegenteilige Auffassung in der Wissenschaft sieht die Rekonstruktionen im Grunde nur als abstrakte Formeln für die festgestellten Übereinstimmungen an.

Sie berufen sich darauf, daß ein Begriff wie *petèr nur eine Umschreibung für den Satz ist:

“lat. pater= griech. patèr = Sanskrit pitár- = gotisch fader = altirisch athir, usw.”

also ähnlich wie bei der ebenfalls üblichen Kurzformel “indogerm. *p > lat. p”  (> = wird zu), die auch nur eine kurze Umschreibung ist für den komplizierten Satz

“lat. p = griech. p = germ. f = keltisch pf”

Sie weisen darauf hin, daß die rekonstruierten indogermanischen Formen keine andere Realität besitzen als die, bequeme Formeln für Parallelismen zu sein, lso reine Zusammenfassungen von Verwandtschaften.

Auch die Anhänger dieser Meinung räumen allerdings ein, daß es Laute gibt, die wir - mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad - der indogermanischen Ursprungssprache zuschreiben können.

Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Die Konsonanten des Wortes für “Vater” erscheinen in den meisten Sprachen als p-t-r, und folglich war dies wahrscheinlich die Situation auch in der Ursprungssprache. Die Vokale sind schieriger zu bestimmen (vergleichbar der Situation im Altägyptischen, wo auch nur die Konsonanten geschrieben wurden, ähnlich dem obigen Muster p-t-r).

Man ist sich jedoch heute darüber einig (und zwar bei den Anhängern beider Gruppen), daß die indogermanische Grundform *petèr lautete.